Dieses Jahr nutzte die Verkehrte Welt ein verlängertes Wochenende um den Buß- und Bettag zur Herbstexkursion nach Prag.
16. November – TU Prag
An einem tristgrauen Morgen besteigen wir den langen EC nach Prag. Hinten hängen noch die Wagen des Nachtzuges dran. Aufgrund von Bauarbeiten im Elbtal haben wir bis Bad Schandau zwölf Minuten Verspätung. Auf tschechischer Seite begrüßt und die automatische Ansage zuerst auf Tschechisch, dann auf Englisch und zuletzt auf Österreichisch. Vor der Ankunft in Prag informiert uns die Ansage noch über den Grund für die inzwischen auf fast 20 angewachsenen Bonusminuten. „Wegen einer verspäteten Übergabe aus dem Ausland…“ Im Zweifel sind immer die anderen schuld.
Große Verwunderung löst der DB-Desiro ein paar Gleise weiter aus. Seit wann fährt denn die U28 bis nach Prag? Des Rätsels Lösung sollten wir früher erfahren, als uns lieb ist.
Bald öffnet auch die dichte Wolkendecke ihre Pforten. Nachdem das Gepäck im Hotel abgeladen ist, fahren wir Richtung TU Prag.
Dort gibt es erst eine kurze Einführung zur Uni, einem Gebäude, in dem das Ostblockflair noch hautnah erlebt werden kann. Etwa 23.000 Studenten lernen hier. Unter anderem wird seit etwa 20 Jahren an einem ITF für Tschechien geforscht, doch die unterschiedlichen Zuständigkeiten für NV (Regionen) und FV (Landesweit) machen es nicht einfacher. Da der Crashtestsimulator leider aktuell außer Betrieb ist, können wir diesen nicht besichtigen. Stattdessen geht es zum Flugsimulator, der durch Studenten in Eigenbau entstanden ist.
Anschließend wurde das Eisenbahnbetriebslabor besichtigt. Nach der schönen Abwechslung zur Eisenbahn fühlen sich einige Studenten in ihrem gewohnten Sektor deutlich wohler. Auf die Landschaft sind wir richtig neidisch, denn in Dresden wird nur streng wissenschaftlich ohne Deko gefahren.
Trotz der Sprachbarriere lernen wir schnell den Umgang mit der tschechischen Stellwerkstechnik, die sich in Details von der Gewohnten unterscheidet.
Ehe man es bemerkt, haben wir zwei Stunden gespielt. Jetzt muss erstmal für das leibliche Wohl gesorgt werden. Gulasch, Lendenbraten und Knödel füllen unsere Mägen. Unterhaltsam ist das Abendessen gemeinsam mit Studenten und Dozenten jedenfalls. Anschließend brechen wir zu einem kleinen Abendspaziergang durch die Innenstadt auf.
Der ruhende Verkehr ist in der Innenstadt ein riesiges Problem. Ein Großteil der engen Gassen sind hoffnungslos zugeparkt und zwingen Fußgänger zu einem Hürdenlauf. Daher wird dieser Platz auch Marienparkplatz genannt.
Nach langem Kampf gegen die auf den Stufen ruhenden Touristen hat man nun endlich Bänke davor aufgestellt. Leider sucht man in der Altstadt Sitzgelegenheiten meist vergeblich.
Trotz einiger zaghafter Versuche, die Situation für Radfahrer zu verbessern, ist die Stadt immer noch extrem fahrradunfreundlich. Es gibt kaum Fahrradwege, dafür viele stark befahrene Straßen mit bei Nässe äußerst rutschigem Kopfsteinpflaster. Die großen Steigungen tun ihr Übriges, um den Modal Split nicht über 1% steigen zu lassen.
Die Tram bringt uns schließlich zurück zum Hotel. Wie praktisch, dass die Hauptlinien bis Mitternacht im Takt 10 fahren. Ding. Lipanská. Příští zastávka: Olšanské námĕstí. Ein Obdachloser sitzt zusammengekauert auf einem Sitz und schnarcht leise vor sich hin. FIIIIIIIIIEP! Die Türen schließen und der T6 setzt seine Fahrt fort.
17. November – Karlštejn
Nach einem ausgiebigen Frühstück fahren wir zur Burg Karlštejn. Der 17. November ist ein wichtiger Feiertag mit dem Namen „Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie“. Der Name könnte auch für jeden beliebigen Feiertag jeder beliebigen Diktatur verwendet werden, erinnert aber tatsächlich an den Aufstand gegen die Besatzung durch die Nazis im Jahr 1939 sowie an den Beginn der Samtenen Revolution 50 Jahre später. Nicht nur die Trambahnen sind mit der tschechischen Flagge geschmückt, sondern auch einige Menschen auf der Straße schwenken Fahnen. Eine ist sogar am Kinderwagen montiert. Am Hbf kaufen wir eine Anschlussfahrkarte Karlštejn nach zu unserer 72h-Karte für das Stadtgebiet.
Weil wir nicht im kalten Wind bis zur nächsten deutschen Burgführung warten wollen, kaufen wir Karten für die englische Führung. Der Eintritt ist für Ausländer mehr als 50% teurer als für Einheimische. Da abgesehen von uns noch eine deutsche Familie die Führung gebucht hat, wird spontan eine deutsche Führerin gefunden und wir bekommen die englische Führung auf Deutsch. Aufgrund der topmotivierten Frau, die uns so viel über die Burg erzählt, läuft die nächste Führung bald auf. In den Räumen ist es noch kälter als draußen. Das Mauerwerk speichert die Temperatur über etwa einen Monat, sodass es im Herbst noch sehr lange warm, im Frühling aber auch kalt bleibt. Ziemlich durchgefroren laufen wir zurück in den Ort, um uns zu stärken.
Wieder in Prag fahren wir mit der Metro, die so überfüllt ist, dass die Türen erst nach mehreren Versuchen geschlossen werden können. Zum Feiertag gibt es in der Innenstadt ein großes und lautes Fest und wir geraten an den Rand einer leicht gewalttätigen Demo von Nationalisten in den engen Gassen. Herbeieilende Polizisten versuchen die Teilnehmer einzukesseln. Wir machen schleunigst kehrt und genießen einen Kaffee.
18. November – Btf. Motol
Nach dem Frühstück fahren wir mit der 9 einmal quer durch die Stadt zu einem von insgesamt sieben Straßenbahnbetriebshöfen.
Zuerst besichtigen wir die 1996 eingeweihte Waschanlage.
Anschließend werfen wir einen Blick in die Fahrzeughalle. Der für etwa 130 Fahrzeuge ausgelegte Betriebshof ist überbelegt, sodass 16 Fahrzeuge entweder vor der Halle abgestellt werden oder im Netz unterwegs sein müssen. Insgesamt gibt es in Prag mehr als 1000 T3-Einheiten (eine Nf-Bahn zählt als zwei Einheiten). Alle Fahrzeuge sind fest einem Betriebshof zugewiesen. Bei der Stationierung einiger Škoda 14T und 15T in Motol wurde allerdings nicht bedacht, dass es hier keine Möglichkeit gibt, größere Reparaturen durchzuführen, sodass die Bahnen in einen anderen Betriebshof überführt werden müssen.
Bei den 15T der neuesten Generation wurde darauf geachtet, dass die Verkleidung auf dem Baukastenprinzip beruht und die Teile einfach getauscht werden können. So lassen sich kleine Rempler schnell beheben.
Besonders in den 1990er Jahren gab es ein massives Graffitiproblem bei der Prager Straßenbahn. Durch konsequentes Aussortieren und Reinigen der betroffenen Bahnen hat man das inzwischen im Griff. Heute kämpft man vor allem mit verkratzten Fenstern, deren Austausch deutlich aufwendiger ist. Da man die Bahnen nicht mit Hakenkreuzen durch die Gegend fahren lassen möchte, werden im Betriebshof die Kratzspuren zu einem „Fenster“ ergänzt.
Als Nächstes werfen wir einen Blick in das Ersatzteillager.
Weiter geht’s zu den Drehgestellen.
Innerhalb der Halle werden die Drehgestelle durch kräftige Mitarbeiter per Hand bewegt, sie können aber auch mit einer speziellen Kupplungsstange (auf dem 2. Bild erkennbar) an eine Bahn angehängt werden. Für das Tauschen aller zwölf Radreifen einer Bahn werden mit zwei Arbeitern rund neun Stunden benötigt.
Zum Abschluss dürfen wir noch eine Unfallbahn bestaunen. Der Zusammenstoß mit einem PKW ereignete sich mit etwa 40 km/h.
Anschließend fahren wir eine Station mit dem Bus zur Neubaustrecke der Metro A. Zwei Stationen weiter steigen wir am Nádraží Veleslavín wieder aus.
Wer zum Flughafenbus umsteigen möchte, muss hier mangels Rolltreppe seinen Koffer hochschleppen. Seit der Eröffnung der Neubaustrecke steht deswegen an dieser Treppe ein Flughafenmitarbeiter, der den umsteigenden Fahrgästen die Koffer hochtragen soll. In diesem Moment war er gerade beim Kaffee holen, doch es dauert nicht lange, bis… „What are you taking photos of? Are you from the newspaper? It´s not famous!“ Durch wildes Fuchteln wird die Erklärung untermalt. Er zeigt mir jedenfalls, dass die Treppe sehr wohl äußerst bekannt ist…
Mit Bus und Straßenbahn fahren wir weiter stadteinwärts.
Da uns die Standseilbahn die Türen vor der Nase zuschlägt, beschäftigen wir uns die nächste Viertelstunde mit ihrer Geschichte. Im Jahr 1891 eröffnet, wurde sie bis in die 30er Jahre mit Wasser angetrieben, dann elektrifiziert. Nach massiven Schäden durch Hangrutsche wurde die Bahn im Jahr 1965 eingestellt und erst 20 Jahre später wiedereröffnet. Für die Mittelstation, die sich nicht genau in der Mitte befindet, wurden diverse Betriebskonzepte ausprobiert. Es gab schon die Varianten als Bedarfshalt oder jede zweite Fahrt als Expressfahrt ohne Zwischenstopp durchzuführen, doch aktuell halten alle Fahrzeuge notgedrungen zweimal an. Die lange Schlange an der Talstation deutet darauf hin, dass der winterliche Takt 15 keineswegs nachfragegerecht ist. Durch die verlorene Viertelstunde sind wir recht knapp für unseren nächsten Termin dran. Und immer, wenn man es eilig hat, kommen erstmal alle Tramlinien vorgefahren, die man nicht braucht.
Um 14:02 Uhr wollen wir mit dem türkisfarbenen Arriva-628er nach Benešov u Prahy fahren und werden bereits von einem Angestellten erwartet. Als wir zwei Minuten vor Abfahrt auf dem Bahnsteig ankommen, haben wir die Hiobsbotschaft bereits erhalten. Der 628er ist aktuell in der Werkstatt und ein sächsischer Desiro von DB Regio angemietet. Die Fahrgäste aus dem Mehrzweckbereich werden auf anderen Sitzen platziert und wir bekommen einige Informationen zum Konzept des eigenwirtschaftlichen Regionalverkehrs von Arriva. Unter der Woche pendelt ein einziger Zug zweistündlich zwischen Praha hl.n. und Benešov. Das Angebot ist vor allem auf Pendler ausgerichtet. Ein großer Nachteil stellt die Nichtintegration in den Prager Verkehrsverbund (PiD) dar, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Zeitkarten in Prag sehr weit verbreitet sind. Um dennoch einigermaßen attraktiv zu sein, gibt es die Möglichkeit, sich eine Monatskarte nur für eine Richtung zu kaufen, wenn beispielsweise die Fahrt zu Arbeitsbeginn am Morgen passt, man aber für die Rückfahrt am Nachmittag flexibel die halbstündlich verkehrenden Züge der ČD nutzen möchte.
Es wurde mehrfach betont, dass man sich weniger als Konkurrent zur ČD sieht, sondern ein attraktives Angebot für Menschen schaffen möchte, die bisher mit dem Auto gefahren sind. Inwiefern das nun zutrifft, lässt sich nicht einwandfrei überprüfen. Das Konkurrenzdenken ist aber ebenfalls deutlich herübergekommen.
Bei den Erläuterungen sind im Wesentlichen drei Merkmale herausgetreten, mit denen sich Arriva von der ČD unterscheidet. Erstens möchte man Fahrgäste durch den günstigeren Preis locken. Die Einzelfahrt ohne irgendwelche Rabatte kostet online für die 51 km lange Strecke 45 CZK bei Arriva, die ČD verlangt 75 CZK. Fahrkarten können ohne Aufpreis beim Zugbegleitpersonal erworben werden, es wird jedoch ein Rabatt auf Onlinebuchungen gewährt. Wo genau der Unterschied zu einem Aufpreis beim Kauf im Zug liegt, ist nicht klargeworden. Zweitens bietet man eine kürzere Fahrzeit verglichen mit dem Os an. Während der an allen Stationen haltende Zug der ČD 63 Minuten unterwegs ist, schafft Arriva die Strecke mit weniger Zwischenhalten in 51 Minuten. Angesichts des breit gefächerten Angebots diverser Expresszüge der ČD, welche die Strecke mit einem bis mehreren Halten in 40 bis 49 Minuten überwinden, sei der zeitliche Vorteil an dieser Stelle infrage gestellt.
Drittens möchte man den Fahrgästen einen höheren Reisekomfort bieten. In den Toiletten werden Kaugummis bereitgestellt, es gibt Spielekoffer für Kinder und für eine optimale WLAN-Versorgung sind vier SIM-Karten im Zug verbaut. An einem Wasserspender kann man entweder seine eigene Trinkflasche auffüllen (Beitrag zur Müllvermeidung!) oder bereitgestellte Einwegbecher nutzen. Außerdem wird mit Geruchsdesign gearbeitet. Ein leichter Mangoduft (im Bereich der Toiletten etwas stärkerer Mangoduft) im Innenraum soll das Reisen angenehmer machen. Es ist wirklich schade, dass wir nicht die Gelegenheit hatten, das alles in Realität zu sehen, sondern nur aktuelle Fahrpläne der S1 Meißen – Schöna vorgefunden haben. Es gibt Pläne, von Benešov weiter nach Trhový Štĕpánov zu fahren. Das ließe sich aber nicht eigenwirtschaftlich durchführen und man hofft seitens Arriva auf Förderung durch die Region. Auch eine Integration in den PiD wird angestrebt.
Häufig wird auch die Frage nach dem Fahrzeugeinsatz gestellt. Obwohl die Strecke vollständig elektrifiziert ist, kommen Dieseltriebwagen zu Einsatz. Die Vorteile des 628er sind seine hohe Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Wartungsarmut. Größere Wartungen werden in der Werkstatt der ČD in Prag durchgeführt. Zwar gab es auch um diese Tatsache einige Schwierigkeiten, doch besteht auch seitens der ČD ein Interesse daran, die Werkstatt an andere EVU zu vermieten und außerdem wurde der Bau der Werkstatt mit EU-Geldern gefördert unter der Bedingung, sie auch für andere Unternehmen zugänglich zu machen. Des Weiteren sind gebrauchte Dieseltriebwagen viel einfacher zu bekommen als vergleichbare Elektrozüge. Die schwache Beschleunigung der 628er macht sich aufgrund der langen Haltestellenabstände nicht außerordentlich negativ bemerkbar.
Im Sommer wurde zeitweise ebenfalls ein Desiro angemietet, um ein klimatisiertes Fahrzeug anbieten zu können. Ein weiterer Vorteil ist der flexible Einsatz der Fahrzeuge. Am Wochenende wird nach Česky Krumlov oder sogar grenzüberschreitend nach Trenčín gefahren. Diese Fahrten sind wohl sehr gut ausgelastet und ein weiterer Ausbau ab Dezember vorgesehen.
Ein Pluspunkt für die ČD ist jedenfalls die Möglichkeit, aus dem oberen Stockwerk über die sehr stark zugemauerte Strecke zu blicken. Als Kompensation für den Mauerblick biete Arriva WLAN, meint der Angestellte. Abschließend sei noch angemerkt, dass wir später erfahren haben, dass der Betrieb des „eigenwirtschaftlichen“ NV durch Arriva mit Sicherheit ein Verlustgeschäft ist und eher darauf abzielt, den Regionen zu demonstrieren, dass es abgesehen von der ČD noch weitere EVU gibt, die attraktiven NV anbieten können und man doch zukünftig mehr Verkehre ausschreiben soll.
Trotzdem hat die Innovationskraft von Arriva zur Kundengewinnung beindruckt, vor allem da die DB in Deutschland an Innovation kaum zu unterbieten ist.
Nach einer Stärkung besuchen wir die Modelleisenbahnanlage in Praha-Smíchov. Die gut 500 m2 große Anlage ist an tschechische Regionen angelehnt und noch lange nicht fertig.
19. November – Sonderfahrten und Schmuddelwetter
Nach einem gemütlichen Frühstück unternehmen wir eine Fahrt mit dem historischen Triebwagen auf der Prager Semmeringbahn. Der Triebwagen ist nicht besonders stark ausgelastet und zu den Spaßfahrern gesellen sich auch einige „normale“ Fahrgäste wie zum Beispiel eine alte Frau, die Zeitung liest. An mehreren Orten erwarten Fotografen sehnsüchtig den Triebwagen, der sich durch Wald und Felsen bergauf windet und mehrere Ausblicke über die Stadt bietet. Der Sinn der Lärmschutzwände auf dieser beschaulichen Nebenbahn darf wohl hinterfragt werden.
Mit der nächsten Tram fahren wir zurück. Nun geht es weiter zum Bahnhof Smíchov. Um 13:10 Uhr findet eine Dampfzugsonderfahrt statt.
Die verbliebene Zeit bis zur Abfahrt möchten wir eigentlich das geöffnete Bahnbetriebswerk besuchen. Da wir nicht wissen, wo es ist, folgen wir einfach den ganzen im Gleisvorfeld herumspazierenden Familien mit Kindern. Da wundern wir uns schon, warum dieses Verhalten in Deutschland wohl eine Vollsperrung des großen Bahnhofs bedeuten würde.
Um den Zug nicht zu verpassen, begeben wir uns unverrichteter Dinge wieder zurück auf den Bahnsteig. Die Nachfrage nach der kostenlosen Dampfzugfahrt ist riesig. Wir quetschen uns in den Gang. Mit Volldampf fährt der überfüllte Zug rund zehn Minuten Richtung Rudná u Prahy und anschließend mit dem Dieseltriebwagen voraus wieder zurück. Angesichts der enormen Last unterscheiden sich die Abgaswolken des Dieseltriebwagens nicht von den Rauchschwaden der Dampflok. Nach kurzer Zeit machen die Abgase das Atmen schwer und wir sind über die frische Luft nach der Ankunft glücklich.
Nach dem Essen müssen wir aber schnell zum Hauptbahnhof. Dabei hasten wir ein letztes Mal durch die Altstadt. Der verlängerte Wochenendtrip endet nach einer unspektakulären Rückfahrt an der Elbe.
Fazit
Wieder bewies die Stadt der 1000 Türme und Tatras, dass es dort so schnell nicht langweilig wird. Kulinarisch stellte sich heraus, dass Gulasch und Knödel drei Tage ganz lecker sind, der Bedarf dann aber erstmal gedeckt ist. Daraus kann man aber nicht folgern, dass die Dauer des Aufenthalts drei Tage nicht überschreiten darf. In Prag gibt es auch ein recht umfangreiches kulinarisches Angebot abseits der traditionellen Küche. Auch zu den verkehrlichen Aspekten der tschechischen Hauptstadt kann ein Fazit gezogen werden.
Der Prager Straßenbahnbetrieb ist ein recht prominenter Vertreter eines stark ausgeprägten Verästelungsnetzes. Nach ausgiebiger Nutzung sind einige damit verbundenen Aspekte aufgefallen. Bereits der erste Blick auf das Netz offenbart einen Nachteil: Es ist ziemlich unübersichtlich.
Immerhin hat sich das Design im Laufe der Jahre erheblich verbessert. Sehr schade ist hingegen, dass mit der Liniennetzumstellung im August 2016 im Netzplan nicht mehr zwischen Hauptlinien und Nebenlinien unterschieden wird. Diese waren durch eine dicke Linie gekennzeichnet und sind in der Regel doppelt so häufig unterwegs als die restlichen Linien.
Aus dem verzweigten und verschachtelten Liniennetz folgt zwangsläufig, dass nicht auf allen Abschnitten mit mehreren Linien ein gleichmäßiger Takt angeboten werden kann. So kommt es zu unschönen Pulkfahrten auf gemeinsam genutzten Abschnitten. Selbstverständlich ist das auch nicht gerade für eine gleichmäßige Fahrgastverteilung förderlich, sodass dann das nach längeren Lücken zuerst ankommende Fahrzeug überfüllt ist (insbesondere, wenn es sich um ein Tatra-Solo handelt) und das direkt folgende ziemlich leer ist. Trotzdem ist es auf vielen längeren gemeinsamen Abschnitten erstaunlich gut gelungen, einen weitgehend gleichmäßigen Abstand zu erreichen.
Ein weiterer Nachteil sind die abweichenden Haltepositionen für eine Fahrtrichtung je nach Linie. Möchte man beispielsweise von der Station Andĕl Richtung Norden fahren, kann man zwischen vier Linien wählen. Umsteigen macht an einigen Stellen keinen Spaß, weil die Fußwege ziemlich lange ausfallen. Besonders ungünstig ist die Tramhaltestelle am Hbf, wo man zuerst 5 Minuten durch den vorgelagerten Park, dann noch 5 Minuten durch die Shopping Mall laufen muss. Die Beschilderung der Haltepositionen auf dem Bahnsteig und in den Zwischengeschossen ist dabei sehr sparsam. Liniennummern sind oft gar nicht und Endhaltestellen nur unvollständig ausgeschildert.
Das Verästelungsnetz bietet noch eine weitere „Chance“ auf unnötige Wartezeiten. Steht man beispielsweise an der Haltestelle Botanická zahrada und möchte zur Haltestelle Národní divadlo fahren, bietet sich nur die 18 als direkte Linie an. Gleichwohl bestehen einige Umsteigeverbindungen mit der 14 oder 24, falls diese zuerst kommen sollten. Es gibt also eine Vielzahl an Reisemöglichkeiten, aber selbst wenn man sämtliche Möglichkeiten für eine Strecke kennt, weiß man noch lange nicht, welches die schnellste ist. Ganz abgesehen davon ist es natürlich psychologisch äußerst ungünstig, wenn man auf die direkte 18 wartet und erstmal die 14, dann die 24, dann wieder die 14 und dann erst die 18 kommt. Das kann sogar ohne Abweichungen vom Fahrplan vorkommen, da die Linien nicht in gleichen Intervallen verkehren.
Leider ist DFI mit Live-Abfahrtszeiten noch nicht sehr weit verbreitet, sodass man sich auch nicht zu Beginn für eine Fahrt mit Umstieg entscheiden kann, wenn die gewünschte Linie verspätet ist. Die Aufenthaltsqualität ist an vielen Tramhaltestellen äußerst bescheiden. Selbst an größeren Haltestellen gibt es keine Wartehäuschen und auf den engen Bahnsteigen in Straßenmitte steht man inmitten des Verkehrstrubels. Manchmal gibt es ein Wartehäuschen am Straßenrand, doch wenn es keinen Zebrastreifen gibt, sollte man besser rechtzeitig auf den Bahnsteig wechseln, denn die Autofahrer halten nicht immer an, wenn eine Bahn einfährt. Das sorgt für durchaus gefährliche Situationen, wenn sich ein- und aussteigende Fahrgäste auf dem engen Bahnsteig drängen oder auf die Fahrbahn ausweichen müssen.
Gleichwohl bietet der Prager ÖPNV auch einige sehr positive Seiten. Der 1994 eingeführte Verkehrsverbund PiD ermöglicht auch Fahrten mit Zügen der ČD, außerdem lässt sich die Standseilbahn aufpreisfrei nutzen. Dafür würde man wohl in jeder anderen Stadt der Welt extra bezahlen müssen.
Das weit verzweigte Tramnetz bietet unzählige Direktverbindungen, dadurch werden die Nachteile der langen Umsteigewege und der ungemütlichen Haltestellen teilweise kompensiert. Außerdem gibt es eine wunderbare Symbiose im „Parallelverkehr“. Während die Metro als Schnellbahn mit sehr großen Haltestellenabständen und dichtem Takt das schnelle Fortkommen auf langen Strecken ermöglicht, dient die Tram auf denselben Strecken der Feinerschließung. Auf Kurzstrecken ist die Metro aufgrund der extremen Tiefenlage ohnehin nicht so attraktiv. Trotz einiger stauanfälliger Abschnitte kommt aber auch die Tram recht zügig voran, da es verhältnismäßig wenige Ampeln gibt.
Auch einige U-Bahnprojekte wurden umgesetzt. Derzeit laufen die Planungen für eine vierte Linie, welche den Südosten der Stadt erschließen soll und in Pankrac Anschluss an die Linie C bekommen wird. Mittelfristig soll sie über den Hbf in das Zentrum verlängert werden. Zu befürchten ist aber, dass die neue Metrolinie wird noch mehr Fahrgäste in den ohnehin schon am stärksten belasteten Abschnitt der Linie C schaufeln wird…
Zum Schluss möchten wir die Gelegenheit nutzen, uns besonders bei Zdeněk Michl von der TU Prag für die große Hilfe bei der Organisation und bei Juraj Kováč von Arriva für den spontanen Termin bedanken.
Bericht: Albert Höchst
Fotos: Albert Höchst, Joachim Roth