Spreeunterquerung der U 55 zwischen der Station Hauptbahnhof und Bundestag

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

Vom 18. bis 20. November 2015 besuchten wir die verkehrstechnischen Sehenswürdigkeiten des öffentlichen Verkehrs in und um die Hauptstadt.

Los ging es am Morgen in Dresden Hbf im EC 178 und nachdem das Gepäck im Hostel an der Warschauer Straße abgeladen war stand am dortigen BVG-Bahnsteig schon der erste Programmpunkt an: Friedrich Papke, Absolvent unserer Fakultät und seit kurzem bei der BVG im U-Bahn-Bereich tätig, nahm uns in Empfang und fuhr mit uns zum Betriebshof Friedrichsfelde, einer von drei Werkstätten für die U-Bahn in Berlin. Hier führte uns der Werkstattleiter Herr Schäfer durch die Hallen, in denen zum damaligen Zeitpunkt gerade mal 20 Mitarbeiter in zwei Schichten beschäftigt waren. Friedrichsfelde kümmert sich um die Großprofilwagen, die auf den Linie U 5 aufwärts eingesetzt werden.

Im Betriebshof Friedrichsfelde der Berliner Verkehrsbetriebe BVG

Im Betriebshof Friedrichsfelde der Berliner Verkehrsbetriebe BVG

Einen historischen Exkurs gab es im historischen Wagen, der ebenfalls in Friedrichsfelde beheimatet ist: 1902 wurde die Berliner U-Bahn von der Berliner Hochbahngesellschaft, gegründet von der Deutschen Bank und Siemens, in Betrieb genommen. Dabei gab es zunächst aus Kostengründen für den Tunnelbau nur Kleinprofillinien. Das Großprofil kam erst ab 1945 dazu. Der historische Wagen besitzt keine Türschließeinrichtung wie bis in die 1980er Jahre, bei den Kleinprofillinien bis 1989, üblich. Die meisten Störungen würden auch deshalb heute von den Fahrgästen an den Türen verursacht.

Neue Leitstelle Friedrichsfelde der Berliner Verkehrsbetriebe BVG

Neue Leitstelle Friedrichsfelde der Berliner Verkehrsbetriebe BVG

Nach dem technischen Teil in der Werkstatt wechselten wir nach nebenan in die nagelneue Leitstelle, die nach zwei Jahren Bauzeit im September 2015 in Betrieb ging. Von hier aus werden 1.242 Fahrzeuge auf 146 km Linienlänge, aufgeteilt auf zehn Linien, die 173 Bahnhöfe bedienen, überwacht. 81 Prozent der Strecken verlaufen im Tunnel, 30 Prozent sind Kleinprofil- und 70 Prozent Großprofillinien. Allein die U-Bahn befördert über 500 Mio. der 1 Mrd. Fahrgäste im Jahr bei den BVG., darum kümmern sich 1.846 Mitarbeiter (Stand 2011 ohne Infrastruktur und Verwaltung). Die dichteste Taktfolge beträgt heutzutage 4 Minuten. Gearbeitet wird in den 5 Betriebsszenarien Regelbetrieb, Abweichungen vom Regelbetrieb (Baubetrieb, Veranstaltungen), Störbetrieb (nach Entstörplan), Notfallbetrieb (operativ) und Krise. 21 Arbeitsplätzen sind in drei Teilnetzen vorhanden, bis 2019 soll die Disposition aus dem Fahrplan heraus erfolgen.

Anschließend begaben wir uns noch in den Untergrund in Berlins kürzeste U-Bahn-Strecke, die U 55 zwischen Hauptbahnhof, Bundestag und Brandenburger Tor. Im Tunnel selbst befindet sich eine eigene kleine Werkstatt für die beiden hier wechselweise eingesetzen zweiteiligen Kurzzüge, eingesetzt wurden sie über einen Schacht. Hinter dem Werkstattabschnitt befindet sich auch noch ein Tunnelsegment, das dereinst als Fortsetzung Richtung Norden dienen soll, aber zunächst eine Versuchs-Deckenkonstruktion für eine künftige Station der im Bau befindlichen U 5 beherbergt. Hier werden Lampen der einem Nachthimmel nachempfundenen Deckenkonstruktion auf ihre Tauglichkeit und Wirkung hin getestet.

Versuchsaufbau der Deckenkonstruktion für eine Station der künftigen U 5

Versuchsaufbau der Deckenkonstruktion für eine Station der künftigen U 5

Zu Fuß ging es dann auf dem nicht in Betrieb befindlichen Gleis der U 55 bis zur Station Bundestag und damit unter der Spree hindurch. Hier sorgen zwei Flutschutztore bei einem Wassereinbruch dafür, dass nicht der gesamte Tunnel voll läuft. Sie sind durch blaues Licht gekennzeichnet.

Spreeunterquerung der U 55 zwischen der Station Hauptbahnhof und Bundestag

Spreeunterquerung der U 55 zwischen der Station Hauptbahnhof und Bundestag

Am zweiten Tag stand vormittags zunächst ein Besuch im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVi) an. Zunächst stellte uns Volker Mattern das Haus allgemein mit dem vorstehenden Minister und den Staatssekretären vor. Extra für unseren Besuch war sogar eine Videoschalte nach Bonn organisiert, denn wie jedes Bundesministerium unterhält auch das BMVi zwei Standorte in der neuen und der alten Hauptstadt. Dr. Peter Conrad stellte das neue Zulassungsverfahren für Eisenbahnfahrzeuge vor, ein weiterer Referent aus dem Referat LA 18 präsentierte die Arbeit des Ministeriums zum „Deutschland-Takt“, der einmal nach Schweizer Vorbild die Vernetzung des öffentlichen (Schienen-)Verkehrs in Deutschland verbessern soll. Hier werde auf ein mikrokopisches anstatt einem makroskopischen Modell wie im Bundesverkehrswegeplan gesetzt. Das bedeutet 1.000.000 statt 10.000 Kanten und 990.000 statt 10.000 Knoten. Der Deutschland-Takt beinhalte auch für den Schienengüterverkehr viele kleine Maßnahmen wie bspw. höhenfreie Kreuzungen.

Vorstellung des RLC Wustermark durch den Geschäftsführer Winfried Bauer

Vorstellung des RLC Wustermark durch den Geschäftsführer Winfried Bauer

Nach dem Mittagessen begaben wir uns an den äußersten Rand der Stadt in Wustermark, einem revitalisierten Rangierbahnhof in privater Hand: Der einst 1909 als größter und modernster Rangierbahnhof Deutschlands in Betrieb genommene Wustermarker Rbf firmiert heute in privatrechtlicher Trägerschaft als Rail & Logistik Center Wustermark (RLC Wustermark) und bietet vor allem Abstellkapazitäten. Geschäftsführer Winfried Bauer führte über die 70 Gleise zählende Anlage, die 2008 vor der Stilllegung gerettet und vom neuen Betreiber übernommen wurde, nachdem die Deutsche Bahn bereits 2000 den Einzelwagenverkehr in Seddin konzentriert hatte und die Anlage daher nicht mehr benötigte. Mit gerade einmal 13 Mitarbeitern wird die Anlage schon seit dem zweiten Betriebsjahr mit schwarzen Zahlen betrieben, 2,5 Mio. € wurden aus Gesellschaftsmitteln und dem Cash-Flow investiert, Fördergelder habe es keine gegeben. Im Dezember 2014 wurde sogar ein kleines elektronisches Stellwerk errichtet, das bei Nichtbesetzung des Stellwerks als EOW-Anlage (elektrisch ortsbediente Weiche) vom Zugpersonal selbst bedient werden kann.

Rangierabteilung im Rail Logistik Center (RLC) Wustermark

Rangierabteilung im Rail & Logistik Center (RLC) Wustermark

 

Schwerlastshuttle und Containerkräne im Westhafen der BEHALA in Berlin

Schwerlastshuttle und Containerkräne im Westhafen der BEHALA in Berlin

Am dritten Tag war das Wetter etwas nasskalt ungemütlich als wir vormittags den Berliner Westhafen der Berliner Hafen- und Lagerhausverwaltung (BEHALA) besuchten. Rund 100 Mitarbeiter betreiben die drei Häfen im Stadtgebiet, wobei der Osthafen mangels guter Anbindung stillgelegt wurde und die Flächen für Immobilien vermarktet werden, weshalb dies ein wichtiger Zweig der BEHALA ist. Michael Reimann, der uns übers Hafengelände führte, kommt aus diesem Sektor. Der Berliner Westhafen steht an 4. Stelle der Binnenhäfen Deutshclands mit 4 Mio. t Umschlag pro Jahr. Wichtige Kunden sind derzeit Vattenfall, die den Zementsilo für Flugasche verwenden, die wiederum in der Betonherstellung verarbeitet wird, Jacobs Kaffee seit 5 Jahren mit Kaffeeeinlagerung im Getreidesilo und TSR Thyssen mit Stahlschrott nach Brandenburg. Daneben wird Glasschrott und Mineralöl umgeschlagen und Konfektionierung für Drogerieketten betrieben. Zudem wird der alte Speicher für Archivlogistik des Preußischen Kulturbesitzes genutzt. Im Containerterminal wurden 2015 etwa 120.000 TEU (Twenty Feet Equivalent Unit) umgeschlagen. Für den Schwergutumschlag wurde ein spezieller Schwergutshuttle für eine Gasturbinenfertigung von Siemens beschafft, der den Weg zwischen einer Anlegestelle nahe der Produktion und dem Westhafen zurücklegt, wo die Turbinen dann für den Weitertransport auf Binnenschiffe umgeschlagen werden.

Kaffeelagerhaus der BEHALA im Berliner Westhafen

Kaffeelagerhaus der BEHALA im Berliner Westhafen

Als letzten Programmpunkt der Exkursion fuhren wir am Nachmittag dann noch zur Stadler Pankow GmbH, einem Schienenfahrzeughersteller im Berliner Norden. Hier stellten uns Jochen Lenz und Sven Marquardt, ebenfalls Dresdner Absolventen, die Arbeit eines mittelständischen Unternehmens vor, in dem die Aufgabenfelder nicht so strikt getrennt und die Abläufe nicht so formalisiert sind wie in Großkonzernen, auch wenn Stadler insgesamt die letzten Jahre stark gewachsen ist. Vorgestellt wurde uns der Prozess der Vorakquise & Produktentwicklung über die Angebotserstellung bis zu Verhandlung & Vertragsabschluss. Der erste Schritt sei heute durch Ausschreibungen stark formalisiert, Angebotskosten böten zudem ein hohes Risiko, da diese bei Nichtzuschlag nicht erstattet werden. Die Angebotserstellung dauere je nach Umfang zwischen 3 Wochen und 1,5 Jahren, durchschnittlich aber 4 Monate. Die Erfolgsquote liege unter 10 %. Insgesamt lägen zwischen Angebot und Auslieferung je nach Umfang ein bis drei Jahre. Bei der anschließenden Führung durch die 2002 neu errichtete Montagehalle auf dem früheren Borsig-Gelände war das Fotografieren leider verboten, hauptsächlich werden Triebwagen und Straßenbahnen gefertigt.

Gruppenfoto vor einem Flirt3 für das Niederrhein-Netz von Abellio Rail NRW bei der Stadler Pankow GmbH

Gruppenfoto vor einem Flirt3 für das Niederrhein-Netz von Abellio Rail NRW bei der Stadler Pankow GmbH

Diese Exkursion wurde freundlicherweise gefördert von:

Studentenrat TU Dresden www.stura.tu-dresden.de/

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Fachschaftsrat Verkehrswissenschaften an der TU Dresden www.fsr-verkehr.de

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