Studienreise nach Großbritannien 2016

8. September – Oxford Bus Company

An diesem Morgen wird uns auf dem Weg zu unserem Termin bei der Oxford Bus Company erst so richtig bewusst, wie kompliziert der öffentliche Verkehr in diesem Land organisiert sein kann. Verborgene Haltestellen und undurchsichtige Tarifsysteme geben uns Rätsel auf. Wir erreichen unser Ziel zum Glück trotzdem pünktlich und haben gleich noch ein paar Fragen mehr im Gepäck. Mit einem Vortrag über die Eigenheiten des britischen Nahverkehrs und Visionen der zukünftigen Entwicklung von Stadtbussen gelingt es dem Geschäftsführer, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

Nach dem Termin bleibt uns noch etwas Zeit, um die Stadt in kleinen Gruppen genauer zu erkunden. Auch hier hat das eine oder andere Gebäude als Kulisse für die Harry-Potter-Filme gedient.

Blick von Carfax Tower

Bilderbuchszenerien vor der Christ Church

Gibt es heute Kürbispastete?

Vermutlich die Namensgeber der Stadt.

High Tea – die kulinarische Krönung eines jeden Nachmittags!

Am Nachmittag geht es schließlich per Bus weiter zu unserer nächsten Station, der Planstadt Milton Keynes. Der Bahnhof sieht eher aus wie ein Flughafenterminal und der vom Autoverkehr getrennte Fuß- und Radweg Richtung Unterkunft ist so verlassen, dass er fast unheimlich wirkt. Das Hostel ist so weit außerhalb der Stadt, dass die meisten es vorziehen, den Abend dort zu verbringen. Nur wenige von uns haben deshalb tatsächlich einen Eindruck von dieser New Town bekommen.

Typische Wegeführung in Milton Keynes. Welch ein Gegensatz zum schönen Oxford!

9. September – Network Rail Milton Keynes und Coventry

Um 10:30 Uhr treffen wir im „The Quadrant:MK“ wieder auf Steve Rhymes, von dem wir wieder sehr herzlich empfangen werden. Er scheint sichtlich begeistert zu sein, uns diese neue Arbeitsstätte präsentieren zu dürfen. Ungefähr 3000 Menschen arbeiten hier. Der Komplex besteht aus vier Gebäuden, die unter anderem durch eine überdachte Einkaufsstraße miteinander verbunden sind. Das moderne Bürokonzept ist auffällig. Überall befinden sich kleine Sitzecken und Arbeitsplätze, die an verschiedene Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst sind. So auch schalldichte Mini-Konferenzboxen. Was all die Spezialmöbel gekostet haben mögen, traut sich keiner von uns auch nur zu schätzen. Neben der Führung durch den Gebäudekomplex erhalten wir natürlich auch einen Einblick in die wichtigen Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten, dürfen einem Angestellten bei der Arbeit über die Schulter schauen und hören außerdem einen spannenden Vortrag zum Thema Train Planning von Mr. Steve Rogers. Der Abschied von Network Rail fällt nach dem zweiten Treffen tatsächlich etwas schwer. Wir sind aber auch gespannt auf unsere nächste Verabredung in Coventry. Dort bekommen wir erstmals Gelegenheit einheimische Studenten zu treffen.

Das moderne Verwaltungsgebäude von Network Rail

Die Gebäudeflügel sind nach Stadtteilen von Milton Keynes benannt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Ein Virgin Train bringt uns in weniger als einer halben Stunde von Milton Keynes in die Partnerstadt Dresdens. Das Hotel liegt leider wieder etwas außerhalb, dafür gibt es auf jedem Zimmer einen Hosenbügler. Auf dem Weg zum Campus treffen wir Harvey Dolbear von der Studierendenvereinigung „Coventry University Aerospace Society“. Er führt uns zunächst durch die School of Mechanical, Aerospace and Automotive Engineering mit ihren Hörsälen und Laboren, während er uns vom Verein, dem Unialltag und dem studentischen Leben in Coventry berichtet. Besonders beeindruckt sind wir von der Ausstattung des Luftfahrtlabors. Hier gibt außer Flugsimulatoren, Motoren und Triebwerke sogar ein Cockpit eines Kampfjets mitsamt Schleudersitz. Während der Führung haben bei einer Gesprächsrunde Gelegenheit zum fachlichem Diskurs mit Forschungs- und Lehrpersonal. Danach zeigt uns Harvey die moderne Bibliothek. Auch hier erstaunt uns die hochwertige Ausstattung und Aufenthaltsqualität. Allerdings ist uns bewusst, dass dieser Standard nur durch die enormen Studiengebühren in Großbritannien finanziert werden kann. Später stößt Harveys Mitbewohner zu uns. Da auch in England gerade Sommerferien sind, sind viele Studenten leider gar nicht in der Stadt. Umso mehr freuen wir uns, dass unser Treffen stattfindet. Nach dem anstrengenden, aber lehrreichen Besuch an den Uni sind wir froh, als uns unsere beiden ortskundigen Begleiter in ein Lokal führen, in dem es die besten Burger von Coventry geben soll. Frisch gestärkt nutzen wir den späten Nachmittag für die Besichtigung der Coventry Cathedral. Wir betreten die Ruine und uns wird klar, wie wenig der zweite Weltkrieg tatsächlich von dieser Stadt übriggelassen hat. Nach einem kleinen Stadtrundgang genießen wir den Abend noch gemeinsam in einem gemütlichen Pub.

Die zerstörte Kathedrale von Coventry

Gefängnis oder Unibibliothek?

Das Labor für Luft- und Raumfahrttechnik

Gruppenfoto mit Harvey vor der Maschinenbau-Fakultät

Gruppenfoto mit Harvey vor dem Rathaus

10. September – Coventry Transport Museum und Nottingham

Am Morgen schlendern wir durch die Aktionen des „Open Day“ an der Coventry University. Dieser Tag ist eigentlich für Abiturienten gedacht, die sich über ihren Werdegang informieren möchten. Doch auch wir konnten uns in aller Breite über das Studienangebot schlau machen und feststellen, dass ein längerer Austausch besonders für Studierende mit Luftfahrt-Vertiefung für beide Seiten sinnvoll sein kann. Am Vormittag zeigt uns Harvey das Transport Museum, dessen Eintritt an diesem Tag zu unserer Freude kostenlos ist. In dieser Hauptattraktion Coventrys geht es in erster Linie um Straßenverkehr. Eine beeindruckende Sammlung, Autos, Traktoren und anderer Gefährte, aber auch die Prototypen der modernen Technik sind dort ausgestellt, wie zum Beispiel das Thrust Super Sonic Car, das immer noch den Landgeschwindigkeitsrekord hält. Das Museum verfügt auch über einen sehr großen Fundus historischer Fahrräder, da Coventry in der Entwicklung des Fahrrads eine bedeutende Rolle spielte. Zum Abschied bedanken wir uns bei Harvey mit einer ausdrücklichen Einladung nach Dresden für das Programm, das er für uns erstellt hat. Wir versprechen, in Kontakt zu bleiben und bei einer künftigen Studienreise wiederzukommen.

Fahrräder in allen Formen

Das Verkehrsmuseum zeigt Höhepunkte…

… und Tiefpunkte des britischen Automobilbaus.

Außerdem gibt es eine umfangreiche Sammlung an Landmaschinen, da Massey Fergusson früher einmal ein Werk in Coventry hatte.

Dann geht die Reise weiter Richtung Nottingham. Unsere Herberge ist diesmal wirklich etwas „speziell“. Eines unserer Zimmer hat zum Beispiel kein Fenster. Wir beschließen, den Abend lieber in der Innenstadt zu verbringen.

Robin Hood, Symbolfigur Nottinghams.

11. September – National Tramway Museum in Crich

Am Sonntagmorgen fahren wir mit dem Zug nach Whatstandwell und laufen von dort aus zum Tramway Village Crich. Der Spaziergang fernab der Großstadt tut gut. Im Gegensatz zum Vortag ist das Wetter fantastisch. Im Museum sind wir fasziniert davon, mit wie viel Einsatz und Liebe zum Detail ein ganzes Dorf aufgebaut wurde, um kunterbunte Straßenbahnen aller Formen, Epochen und Länder dort umherfahren zu lassen. Wir gönnen uns eine Fahrt mit einer Doppeldeckertram und schließen uns dann einer Führung an. Dort erfahren wir durch einen alteingesessenen Straßenbahn-Enthusiasten von ganzen Häusern, die irgendwo anders abgerissen und später in Crich Stein für Stein wieder aufgebaut wurden. Im Depot gibt es einen Längsschnitt durch die Geschichte der Straßenbahn. Im Kreis aufgestellt sind Fahrzeuge aller Generationen inklusive geschichtlicher Hintergrundinformationen. Zum Abschluss des Tages statten wir noch dem Crich Memorial auf einem nahegelegenen Hügel einen Besuch ab. Dort wird der Opfer der beiden Weltkriege gedacht. Am Abend fahren wir in die Stadt zurück und finden einen Ausschank der BrewDog Craft Beer Brauerei, wo wir den Sonntag entspannt ausklingen lassen.

Schon der Bahnhof Whatstandwell wirkt wie aus Thomas the Tank Engine.

Das Museumsgelände selbst ist an der Grenze zwischen Detailverliebtheit und Kitsch.

Tendenz zu Kitsch.

Aber das Mitfahren macht großen Spaß!

Auch vertrautere Modelle sind zu sehen. Es gibt sogar einen Tatrawagen, der allerdings wegen zu hohen Stromverbrauchs nicht eingesetzt wird.

Weitere Raritäten sind in verschiedenen Hallen ausgestellt.

Unterhaltung für die ganze Familie.

Die ganze Anlage wurde an einem ehemaligen Steinbruch errichtet.

12. September – Nottingham und Leeds

Bis zur Abreise nach Leeds verbringt die Gruppe den Vormittag in kleinen Gruppen. Einige sehen sich das berühmte Nottingham Castle an, andere ziehen es vor die Gegend per Tram zu erkunden. Am Mittag fährt der Zug nach Leeds. Wir beziehen unser Hotel und entdecken danach auch diese Stadt in Grüppchen. Es gibt ein kostenloses Wassertaxi, eine große Markthalle, riesige Nobelshoppingcenter und generell viele Anzeichen für großen Wohlstand in der Geschichte von Leeds. Am Abend treffen wir uns mit einer Gruppe internationaler Masterstudenten im „Dry Dock“. Einer davon ist Max. Er kommt von unserer Fakultät. Auch wir beginnen an diesem Abend ernsthaft über einen Auslandsaufenthalt an der University of Leeds nachzudenken.

Leeds verbreitet mit seinen Kanälen und Stadtentwicklungsprojekten ein bisschen Docklands-Atmosphäre.

Das Victoria Quarter dagegen verströmt klassische Eleganz.

Das Wassertaxi!

Die neoklassizistische Leeds Civic Hall

Das „Dry Dock“ befindet sich in einem ehemaligen Lastkahn.

13. September – University of Leeds

An der Universität treffen wir Senior Lecturer of Transport Policy Dr. Astrid Gühnemann, deren Kontakt uns Prof. Wieland aus Dresden vermittelt hat. Dank ihr dürfen wir einer Demonstration des Fahrsimulators beiwohnen. Dort kann untersucht werden, wie sich das Fahrverhalten der Menschen bei Ablenkung oder unter Alkoholeinfluss ändert. Zwei von uns bekommen die Gelegenheit selbst einmal zu „fahren“ und bestätigen, dass sie nach einer kurzen Eingewöhnung wirklich das Gefühl hatten, in einem richtigen Auto zu sitzen. Der Rest der Gruppe beobachtet staunend von außen die Bewegungen des Simulators, die eher an die einer Rodeomaschine erinnern.

Im Inneren des Fahrsimulators steht ein echtes Auto (gesponsert von Jaguar).

Auf dem Campus

Im Anschluss hören wir mehrere interessante Fachvorträge und Projektvorstellungen von Studenten und Mitarbeitern des Institute for Transport Studies zu den Themen Fahrradinfrastruktur, CO2-Ausstoß von Kraftfahrzeugen während Testzyklen, Privatisierung der britischen Eisenbahnen, und Organisation der Autobahnverwaltung in Großbritannien und Deutschland im Vergleich. So schön Leeds auch ist, wir haben noch ein weiteres Ziel auf unserer Reise: Liverpool. Nach der abendlichen Ankunft konnten wir den typischen Fish and Chips der Hafenstadt nicht widerstehen.

14. September – Liverpool und Abreise

Eigentlich sollte an diesem Tag noch ein Besuch bei Airbus stattfinden, der jedoch leider nicht zustande kam. Wir genießen daher den Rest unseres Aufenthaltes in England mit einem freien Tag in der Beatles-Stadt. Das Merseyside Maritime Museum lockt mit seinem freien Eintritt und zeigt Ausstellungen über die Titanic und das Schicksal der Lusitania, die im ersten Weltkrieg von einem deutschen U-Boot torpediert wurde, aber auch über die enormen Leistungen der Lotsen früher und heute. Nach etwas Sightseeing und dem Kauf einiger Souvenirs machen sich nach und nach alle auf den Rückweg nach Deutschland.

Das Canning Dock

Mit dem Pendolino, dem Flaggschiff von Richard Bransons Eisenbahngesellschaft Virgin Trains, fuhren manche vom Bahnhof Lime Street zurück nach London.

Fazit

Bei dieser Reise hatten wir die Gelegenheit, England sowohl aus touristischer als auch aus studentischer und potentiell beruflicher Sicht zu entdecken. Die Einblicke, die wir in den Firmen gewährt bekamen, reichten vom Beginn der Planung eines Großprojekts bis zum alltäglichen Betrieb verschiedener Verkehrsunternehmen. Die Treffen haben uns in unserem Fachwissen bereichert und uns eine neue Perspektive auf Lösungsmöglichkeiten im Verkehrswesen gegeben. Wir waren äußerst positiv davon überrascht, wie herzlich wir bei allen Terminen empfangen und wie bereitwillig all unsere Fragen beantwortet wurden. Auch bei den Ansprechpartnern der besuchten Universitäten war klar erkennbar, das ein weiterer Kontakt zur TU Dresden sehr willkommen ist. Schließlich gilt unser Dank der Landeshauptstadt Dresden, Bürgermeisteramt, Abteilung Europäische und Internationale Angelegenheiten, sowie der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Technischen Universität Dresden e.V. und dem Studentenrat der TU Dresden für die großzügige Förderung dieser Studienreise.

Landeshauptstadt Dresden, Bürgermeisteramt,
Abteilung Europäische und Internationale Angelegenheiten
http://www.dresden.de/de/leben/stadtportrait/europa.php

Gesellschaft von Freunden und Förderern der Technischen Universität Dresden e.V. https://tu-dresden.de/tu-dresden/profil/freunde-foerderer/gff

Gesellschaft von Freunden und Förderern der Technischen Universität Dresden e.V.
https://tu-dresden.de/tu-dresden/profil/freunde-foerderer/gff

Studentenrat TU Dresden www.stura.tu-dresden.de/

Studentenrat TU Dresden
https://www.stura.tu-dresden.de/

Bericht: Elisabeth Kretschmer

Fotos: Vivian Augele, Fabian Köhler, Joachim Roth, Florian Waldvogel

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